Nadine Lindner und Regine Ehleiter

„Hey Nadine, die Winfriedschule wird 100 Jahre alt, es gibt eine digitale Festschrift, lass uns einen Podcast machen!“ Es war nur ein Satz bei einem Glas Wein, aber damit war die Idee in der Welt. Und jetzt ist sie fertig!

Wir nehmen alle Zuhörerinnen und Zuhörer für zehn Minuten mit an meinen Küchentisch in Berlin, zehn Minuten, in denen wir in Erinnerungen kramen, gute und kritische Gedanken zu unserer Zeit an der Winfriedschule und im Schulchor reflektieren. Regine hat 2004 Abitur gemacht, ich im Jahr 2000. Und seitdem haben sich unsere Wege in Fulda, Leipzig und Berlin immer wieder gekreuzt. Der Podcast war für uns der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Gesprächen, in denen wir auf die Zeit an der Winfriedschule zurückgeblickt haben.

Die letzten Minuten sind einem Song gewidmet, den wir unzählige Male im Schulchor gesungen haben und das in einer ganz besonderen Aufnahme: das Lied stammt von der CD „80 Jahre Winfriedschule, 20 Jahre Schulchöre“ aus dem Jahr 2002. Irgendwo im Hintergrund ist Regine zu hören, ich hatte damals schon mein Abitur in der Tasche und war zum Studieren in Leipzig. Vielen vielen Dank an den damaligen Musiklehrer und Chorleiter Reinhold Feldmann, der in seinem Archiv gestöbert und uns diese CD hat zukommen lassen. Danke für die Zeitreise!

„For the longest time“, Text und Musik: Billy Joel – Konzert vom 29. Mai 2002, Klosterkirche Frauenberg

Viel Freude beim Zuhören!

Regine Ehleiter und Nadine Lindner


Mein Abitur an der Winfriedschule liegt mittlerweile 22 Jahre zurück. „El Abinal“, das war unser nicht ganz ernst gemeintes Abi-Motto, in Anlehnung an den berühmt-berüchtigten Strand auf der Ferieninsel Mallorca. Warum wir uns damals ausgerechnet dafür entschieden haben, ich habe keine Ahnung mehr, aber ein bisschen schmunzeln muss ich immer noch.

Was bleibt eigentlich von der Schulzeit an der Winfriedschule übrig? Diese Frage hatte ich mir erst kürzlich gestellt, ich war Ende April für drei Tage mit Außenministerin Annalena Baerbock als Pressebegleitung im Baltikum unterwegs. Im Rahmen meiner Arbeit als Korrespondentin im Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio habe ich hin und wieder die Möglichkeit zu reisen. Für mich war es ein Wiedersehen nach langer Zeit, denn Mitte, Ende der 1990er Jahre haben mich bereits zwei Fahrten mit dem Schulchor nach Litauen geführt. Es war damals eine großartige Gelegenheit, wenige Jahre nach dem Fall der Mauer eine bislang unbekannte Region zu entdecken. Das Engagement unseres Chorleiters Reinhold Feldmann und die Gastfreundschaft der litauischen Familien sind mir in guter Erinnerung geblieben. All das kam mir wieder in den Sinn, beim Blick auf den zentralen Platz mit der Kathedrale und dem bekannten freistehenden Turm.

Im Kern blieb in diesem Moment eine tiefe Dankbarkeit für alle Lehrerinnen und Lehrer, die uns damals diese besonderen Momente ermöglicht haben. An die Freunde und Freundinnen, die uns damals begleitet haben – und es teilweise bis heute tun. Aber auch gute Erinnerungen an alle, die mit uns im Schulalltag nicht nur nach Schema F gearbeitet, sondern auch Diskussionsfreude geweckt haben, wie mein Politiklehrer Herr Naas. Manchmal, wenn ich heute im Büro eine F.A.Z. aufschlage, muss ich an deren häufigen Einsatz im Politikunterricht denken.

Danke, Winfriedschule, für die Zeit – und alles Gute für die kommenden 100 Jahre.

Nadine Lindner

Als ich vor einigen Wochen im Postfach eine E-Mail meines ehemaligen Englisch-LK-Lehrers Matthias Heil entdecke, der mich nach einem Beitrag für die digitale Festschrift zum 100. Jubiläum der Winfriedschule fragte, wandern meine Gedanken sofort wieder zu diesem verdunkelten Klassenzimmer im Neubau der Schule, oberste Etage. Nach der letzten Unterrichtsstunde mit einer Analyse von Shakespeares Lady Macbeth oder einem anderen Klassiker, blieben fast alle weiter im Raum. Das palimpsestartig bekritzelte Whiteboard wich dann galant einer Projektionsfläche. In meiner Erinnerung läuft die US-amerikanische Serie „Six Feet Under“ im Original mit englischem Untertitel. Netflix, Laptops, Smartphones? Fehlanzeige. Wir schreiben die frühen 2000er-Jahre.

Die damals geweckte Lust an Fremdsprachen, das Nebeneinander im Konsum von Populär- und Hochkultur – sie begleiten mich noch heute in meinem beruflichen Alltag an einer Kunsthochschule. Dass ich lieber über Kunst schreibe, als selbst zu malen, muss auch meinem Kunst-LK-Lehrer Werner Döppner schnell klar geworden sein. Für die Nachsicht bei der Bewertung meiner Federtuschezeichnungen bin ich ihm dankbar. Aber vor allem auch dafür, dass ich schon in der Schule eine Kunstgeschichte mit Gegenwartsbezug kennenlernen durfte.

Mein rekordverdächtig kurzer Schulweg von zirka 8 Minuten 30 Sekunden erleichterte es mir damals, morgens um halb acht im großen Musiksaal pünktlich zur Chorprobe aufzulaufen. Unser Chorleiter Reinhold Feldmann hielt die Gruppe in ihren wechselnden Konstellationen zusammen, forderte und förderte und konnte im richtigen Moment alle mitreißen mit seinem Enthusiasmus, mit seiner Empathie und dem im Gesamtpaket so stimmigen Quäntchen Esoterik („Energiedusche!“). Die Chorwochenenden waren legendär: Sie bereiteten klassen- und stufenübergreifende Chorreisen in die USA und ins Baltikum vor. Einige der in dieser Zeit geschlossenen Freundschaften, wie die zu Nadine Lindner, bestehen bis heute.

Trotz kurzer Laufstrecke: Mein ­Weg auf die Winfriedschule war nicht unbedingt vorgezeichnet. Ich war die erste Person in unserer Familie, die Abitur gemacht und später auch studiert und promoviert hat. Auf gute Noten als quantifizierbare Vergleichsmarker kam es in der Schulzeit daher immer an. Bei einzelnen Mitgliedern des Kollegiums, denen ich in meiner Schulzeit begegnet bin, gab es damals ein Bewusstsein für Fragen der sozialen Herkunft und den Prämissen der Teilhabe. Wo ich heute stehe, habe ich ihnen mitzuverdanken.

Regine Ehleiter