Barbara Gillat-Schwab

Die Winfriedschule feiert 2022 ihr hundertjähriges Bestehen – was für eine Zeitspanne! Weimarer Republik (Rapallo 1922!), Drittes Reich und 2. Weltkrieg, BRD und DDR und Wiedervereinigung, Europäische Union, Russlands Krieg in der Ukraine – 2022!

Von 1982 bis 2016 war ich als Lehrerin für Deutsch und PoWi Teil dieser Institution – was für eine Zeitspanne! Wie viele fünfte Klassen habe ich auf ihrem gymnasialen Weg begleitet, wie vielen Abiturprüflingen die „Reife“ bescheinigt, wie viele Klassenarbeiten korrigiert!!!

Ich habe gerne an der Winfriedschule unterrichtet, auch wenn in meinen ersten Jahren die äußeren Bedingungen nicht immer optimal waren. Mit Grausen denke ich noch an die Pavillons, vollgestopft mit Schülern, sehr große Klassen waren ‚normal‘, eisige Füße im Winter auch. Im Sommer liefen die Schweißperlen.

Aber die pädagogische Richtung stimmte. Leistung war ein geachteter Faktor, Anstrengung wurde wohlwollend registriert.

Was wünscht man nun einer Hundertjährigen, die nach eigenem Bekunden „100 Jahre jung“ ist? Zuerst einmal: Alter ist ja keine Schande, im Gegenteil – man begegnet ihm oft mit Respekt, erweist ihm aufgrund des Erfahrungsschatzes oft die Ehre. Jungsein ist dagegen noch kein Verdienst, sondern ein Zustand, der der Entwicklung bedarf.

In der Institution Schule treffen Jung und Alt aufeinander. Deshalb wünsche ich der Winfriedschule Vitalität und Agilität. Möge es ihr gelingen, ihre Altersweisheit in der ständigen Konfrontation mit der Jugend fruchtbar zu machen – quasi im dialektischen Prozess, aus These und Antithese immer wieder Neues, Lebendiges entstehen zu lassen. Dann sind die nächsten hundert Jahre so spannend und erfüllend, wie ich meine 34 Jahre empfunden habe.

Am Puls der Zeit – Kurs halten!

31.05.2022