Maximilian Traut

A_I 94 – Ich möchte ein „E“ kaufen – Wir sind zu blöd für diese Welt

Das war unser Abimotto 1994. Seinerzeit haben Menschen in Fernsehshows Vokale gekauft, um Sätze vervollständigen zu können. Heute würfeln sich anscheinend Menschen ihr Wissen im Internet aus verschiedenen Quellen zusammen und meinen dadurch tatsächlich Wissen zu besitzen. Schien uns damals provokant geschrieben, dass wir zu blöd für die Welt sind, kommt es mir heute eher so vor, als sei die Welt zu blöd für mich geworden.

Was hat das nun mit 100 Jahren Winfriedschule zu tun?

Das heutige Scheinwissen verdeutlicht mir immer mehr, wie wichtig eine gute Bildung als Grundlage für mein Leben war und ist. Und ich bin sehr glücklich, darüber, dass mir an der Winfriedschule sehr viel davon mitgegeben wurde. Zwei einfache Sätze aus meiner Schulzeit könnten heutzutage soviel klarstellen. Es war wohl mein hoch geschätzter Mensch und Mathe/Physiklehrer Herr Klemm, der in einer der ersten Physikstunden feststellte: Es gibt kein Perpetuum mobile. Man kann nicht mehr erhalten, als man gibt, wir können nicht unendlich Ressourcen verbrauchen und glauben, dass es gut geht; aus dem Religionsunterricht kommend, heisst es vergleichbar „geben ist seliger denn nehmen“.

Der zweite einfache Satz ist das Newton’sche Prinzip von Actio und Reactio – in der Physik eindeutig und im Zwischenmenschlichen, Zwischenstaatlichen oder auch im Umgang mit der Natur allzu offenkundig. All mein Tun hat direkten Einfluß auf mein Umfeld, Dinge, die ich auf der WSF gelernt habe und grundlegend für das gesamte Miteinander sind.

Welch umfangreichen Werkzeugkasten an Bildung mir das „Flagschiff“, so wurde die Winfriedschule zu unserer Zeit (zumindest von uns) genannt, mitgegeben hat, verdeutlicht am besten der Umstand, dass ich nach der 11. Klasse Chemie und Biologie abgewählt habe, um später einfach mal Pharmazie zu studieren und Apotheker zu werden. Das Erlernen des Lerninstrumentariums war so gut, dass ich auch ein Studium in dem Chemie und Biologie größte Teile einnehmen „ohne Vorkenntnisse“ bewältigen konnte.

Es gab natürlich auch andere prägende Erinnerungen, wie ein GK-Lehrer, der als meine Mutter zu Hause mit dem Langhaarschneider ausrutschte, mir am nächsten Morgen im Unterricht eine Nähe zum Nationalsozialismus zuschrieb, oder ein Deutschlehrer, der zwei Mitschülern und mir doch den sofortigen Schulabgang und eine Karriere bei der Müllabfuhr nahelegte. Was ich geworden bin habe ich schon geschrieben, der eine der beiden Mitschüler führt in Fulda erfolgreich ein Bauunternehmer, der andere ist Bauingenieur in London (OK, da spricht er vermutlich weniger deutsch). Es gibt aber nun mal auch bei Lehrern bessere und weniger gute, so wie es dies auch bei Apothekern oder Eltern geben soll.

Vor allem bleiben aber auch die Erinnerungen des Schulchores haften: Der „berühmt berüchtigte“ NaNaNa-Dreiklang am Anfang eines Schuljahres bei Reinhold Feldmann hat mein Leben fundamental beeinflusst – Unterstufenchor, Großer Chor und Kammerchor haben meine musikalische Entwicklung zum Sänger in Konzertchören, Vokalensembles und auch das ein oder andere Solo erst möglich gemacht. Die persönliche Entwicklung und Reife, die man durch das Wirken auf der Bühne erlernt, ist unschätzbar und auch da war die Winfriedschule prägend für mich. Schon als Schüler durfte ich dort Mozarts Requiem, Haydns Schöpfung singen oder mit Vorsicht Gebläse gemeinsam „Livehaftig“ zunächst die Schulaula und dann die Orangerie zum Kochen bringen.

Es ist schön zu sehen, dass die Winfriedschule auch weiterhin „meine“ Schwerpunkte mit Mint und Kultur fördert, auch wenn es früher ohne Zertifikate ging, da wurde es eben einfach gemacht, aber das ist ein anderes Thema :-).

Ich bin froh, dass ich seinerzeit in die Fussstapfen meines Vaters als Winfriedschüler getreten bin und meine Frau und ich sind uns jetzt sicher, dass unsere beiden Töchter (8. Klasse und neue 5. Klasse) dort die richtigen Instrumente für ihren Werkzeugkoffer des Lebens erhalten werden.

Ich wünsche der Winfriedschule auch in Zukunft engagierte LehrerInnen, MitarbeiterInnen, SchülerInnen und Eltern, die sich einbringen und dem Fachwissen der Schule auch vertrauen.

Glück auf und Gottes Segen!

Maximilian Traut